Ausgabe August 2003


Schutz elektronischer Einrichtungen vor Überspannung


Vorwort

Jeder hat das Phänomen schon erlebt. Man berührt eine Türklinke und spürt einen kurzzeitigen elektrischen Schlag. Manchmal knistert es auch kurz vor der Berührung. Um Elektrostatik fühlen zu können sind mindestens 2000 Volt und um die Entladung sichtbar werden zu lassen mindestens 5000 V notwendig. Im folgenden wollen wir uns aber nicht mit dem Schutz des Menschen beschäftigen, sondern mit dem Einfluss von Überspannung auf elektronische Einrichtungen und dem Schutz derselben.

Was passiert?

Wie man weiß, kann elektrostatische Entladung Elektronik beschädigen, z.B. wenn man ein Kabel steckt oder aber eine Verbindung nur berührt. Der dabei stattfindende Ladungsausgleich kann zu irreparablen Schäden an der Elektronik führen. Dies hängt davon ab, welche Feldstärken kurz vor der Entladung herrschten und wie schnell die Entladung vor sich geht. Überspannungen treten jedoch nicht nur bei elektrostatischen Prozessen auf, sondern können auch induktiv erzeugt werden, z.B. wenn ein Magnetfeld zusammenbricht und sich in dessen Wirkungskreis elektrisch leitende Teile befinden. Als weitere Ursache - und dies wird oft vergessen - ist das unfreiwillige Einkoppeln von Fremdspannungen über Leitungen, Kondensatoren oder Transformatoren in die elektronische Schaltung zu nennen.

Die Ursachen können also verschieden sein, die Wirkung indes ist gleich. Das Resultat ist eine lokale Überhitzung der IC-Strukturen was zum lokalen Sprengen bzw. Schmelzen des Silikons, zur Diffusion von Fremdmetall (Aluminium, Kupfer) ins Halbleiter-Grundmaterial oder aber zumindest zu einer Veränderung der Dotierungsschichten (PN bzw. NP-Übergang) führt.

Die nebenstehende Mikroaufnahme zeigt massive Zerstörungen in einem ICs infolge statischer Entladung.

Veränderungen an den Halbleiterübergängen sind jedoch nur mit Hilfe eines Rasterelektronenmikroskops zu erkennen. Es ist also angebracht sich zunächst etwas mit der Spannungsfestigkeit von Bauteilen zu beschäftigen. Die Taktraten von Mikroprozessoren werden immer höher getrieben. Um die Verlustleistung der Schaltungen und die damit verbundenen Kühlprobleme in den Griff zu bekommen, werden die Schaltkreise (IC) zwecks Verminderung der Verlustleitung noch weiter integriert, d.h. verkleinert und daher auf CMOS-Basis aufgebaut. Was jedoch gelegentlich vergessen wird, dass gerade solche IC besonders anfällig gegenüber Überspannung sind. Die gute alte MOS-Technologie mit differentieller Spannungsversorgung, hohem Störabstand und guter Spannungsfestigkeit kommt heute kaum noch zum Einsatz. Ein guter Schutz vor Überspannung ist daher wichtiger denn je.

Bauteilefamilie
Grenzwerte in Volt
VMOS
30
MOS-FET
100
EPROM
100
OP-AMP (FET)
150
OP-AMP (bipolar)
190
N-Kanal CMOS
30
Schottky-Dioden
300
Schottky-TTL
1000
Thyristoren
600

Das Umfeld

Der Fachmann weiß, dass das Gebiet der elektromagnetischen Verträglichkeit (EMV) die folgenden Gebiete umfasst:

  • Mess- und Prüftechnik
  • Schirmung/ Entstörung
  • Blitzschutz/ Elektrostatik
  • Prüflabors und EMV-Beratung

Dies würde jedoch den Umfang dieses Artikel sprengen. Uns interessiert vor allem die Praxis, also die Massnahmen zum Schutz von elektronischen Geräten und die davon berührten Normen. EMV-Spezialisten bitten wir daher um Nachsicht.

Konzepte gegen Überspannung

Die einfachste Möglichkeit eine elektronische Schaltung zu schützen wäre, diese überhaupt nicht mit Überspannungen in Verbindung zu bringen. Dies lässt sich erreichen indem man um die Schaltung einen Faradayschen Käfig baut. Genial einfach, aber im Zeitalter der Kommunikation keine Lösung, wir wollen ja mit der Außenwelt kommunizieren. Also, nur noch Glasfaserleitungen einsetzen? Leider lässt sich über Glasfaser keine Energie übertragen. Daher werden neben den optischen Übertragungsstrecken immer auch Kupferleitungen benötigt, welche eben die oben beschriebenen Probleme mit sich bringen.

Schutz von Außen

In einer Analyse stellt die Württembergische Versicherung AG 1998 fest, dass ca. 30% aller Elektronik-Schäden von Überspannungen oder elektrostatischen Stromspitzen verursacht werden. Dies sind mit Abstand die häufigsten Schadensursachen, wie eine Untersuchung von über 7.700 Schadensfällen im Jahr 1998 in Deutschland zeigt. Dabei wurde u.a. festgestellt, dass die elektronischen "Killerimpulse" noch weit öfter zu Defekten und Ausfällen führen als Bedienfehler.

Blitzschutz

Die der Allgemeinheit bekannteste Ursache für Überspannungen ist der direkte Blitzeinschlag. Bei einem Blitzeinschlag können in einem Radius bis zu 3 Kilometer gefährliche Überspannungen für elektronische Geräte auftreten. Unsicherheit herrscht bei vielen Menschen über mögliche Gefahren und Folgen von Blitzeinschlägen. Wenn ein Blitzableiter auf dem Dach installiert ist, halten viele Menschen den Schutz der Elektronik für unnötig. Dies ist jedoch eine Fehleinschätzung, die teure Folgen haben kann, wenn ein Schaden wegen übermäßiger Spannungszufuhr eingetreten ist.

Bei der Auslegung der Erdungsanlage ist der spezifische Erdungswiderstand des Erdbodens zu berücksichtigen. Dies gilt für alle Erdertypen, auch für den Fundamenterder nach DIN 18014. Dieser wird in der Regel als Blitzschutzerder verwendet wenn entsprechende Anschlüsse herausgeführt wurden. Es ist zu beachten, dass die Anschlusspunkte korrosionsgeschützt sind. Leitungsmaterial mit Kunststoffmantel oder hochlegiertem NIRO (V4A) erfüllen diese Anforderung. Die Errichtung der Erdungsanlage muss von einer Blitzschutzfachkraft oder unter deren Aufsicht erfolgen. Blitzableiter sind in blitzgefährteten Gebieten ohnehin notwendig, sei es um das Leben der Menschen zu schützen oder um die Auflagen der Versicherung zu genügen. Trotzdem reicht ein Blitzableiter nicht aus empfindliche Elektronik zu schützen. Schlägt ein Blitz in ein Gebäude ein, so induzieren - auch wenn der Blitz ins Erdreich abgeleitet wird - die auftretenden hohen Feldstärken Sekundärspannungen, welche im näheren Umkreis die Elektronik zerstören kann.

siehe auch: http://www.vdb.blitzschutz.com

Schutz im Innern von Gebäuden

Neben dem primären Blitzschutz sind also sekundäre Überspannungsableiter notwendig, welche die induzierten Spannung weiter reduzieren. Überspannungsschutzschaltungen für Innen bestehen meist aus Kombinationen von Gleitableitern, Funkenstrecken und Varistoren. Man spricht von Grob- bzw. Feinschutz, je nachdem wie hoch die durchgelassene Spannung sein darf. Zum Schutz von elektronischen Schaltungen ist immer auch ein Feinschutz notwendig.

Neben der Blitzeinwirkung können Überspannungsspitzen auch durch Frequenzumrichter verursacht werden. Frequenzumrichter, die sehr schnell schaltende Halbleiter beinhalten, zerhacken mittels Pulsweitenmodulation (PWM) eine Gleichspannung, so dass sich an der Last (Motor) ein annährend sinusförmiger Stromverlauf ergibt. Die Frequenz der PWM kann bis zu 20 kHz und mehr betragen. Der steile Anstieg dieser Spannungsimpulse, die Arbeitsfrequenz und die daraus resultierenden Oberwellen führen fast immer zu EMV-Problemen. Die so erzeugten Störspannungen sind breitbandig und wirken bis mehrere -zig MHz. Wenn geeignete Netzfilter fehlen gelangen die Transienten ins Netz und zerstören die Elektronik. Besonders anfällig gegenüber Transienten sind Schaltnetzteile weil die Sperrschicht der Thyristoren bzw. Schalttransistoren in der Regel oberhalb 600 V zerstört wird.

Schutz innerhalb der Schaltung

Überspannungen treffen meist die Ein- und Ausgänge der Schaltungen. Die winzigen, elektronischen Schaltkreise auf Platinen, Motherboards und Interfaces können in der Regel keine zusätzlichen Strom- und Spannungsspitzen verkraften. Die elektronischen Komponenten überhitzen und werden funktionsunfähig. Nicht immer bedeutet dies einen Totalausfall des entsprechenden Bauteils. Eine Folge kann auch eine mehr oder weniger deutliche Fehlfunktion sein. Gerade in solchen Fällen lässt sich die Ursache später nicht zweifelsfrei nachweisen und eine Elektronikversicherung wird nicht greifen.

IC ohne integrierte Schutzdioden müssen mit Surpressordioden und Schottky-Dioden geschützt werden. Die Schutzbrücken sowohl zwischen den Leitern als auch zur Masse bzw. Stromversorgung hin angebracht werden. Obwohl die Brücken meist hochohmig sind, kann es gelegentlich vorkommen, dass durch die Schutzschaltung ein gewisses Übersprechen stattfindet und/oder die Grenzfrequenz der Schaltung negativ beeinflusst wird. Schutzschaltungen müssen also nicht nur bezüglich ihrer Schutzeigenschaften sondern auch bezüglich ihres Frequenzverhaltens getestet werden.

Prüfung der elektromagnetischen Verträglichkeit (EMV)

Bei der Prüfung der EMV-Eigenschaften muss man klar unterscheiden, ob man Spannungsfestigkeit, Störfestigkeit oder die Funkentstörung meint. Die Vorschriften zur Funkentstörung müssen schon lange von allen Herstellern von elektrischen Anlagen beachtet werden. Seit dem 1. Januar 1996 benötigen zudem alle elektrischen Geräte ein CE-Zeichen. In Deutschland überpüft das Bundesamt für Post und Telekomunikation (BAPT) bzw. die Regulierungsbehörde für Telekomunikation und Post (RegTP) Stichprobenweise ca. 40.000 Geräte pro Jahr.

ESD Tests

Entwickler von elektronischen Schaltungen interessiert vorallem die Spannungsfestigkeit der Bauteile. Bei der Überprüfung der Spannungsfestigkeit ist aber nicht nur die Prüfspannung sondern sondern auch die Wellenform wichtig. Gegenwärtig werden vorallem 2 Methode angewandt. Das ältere Verfahren nach MIL-STD-883 Method 3015.7 wurde entwickelt, um Vorsichtsmassnahmen zum Handhabung der ICs spezifizieren zu können. Diese Methode beschreibt daher die Spannungsfestigkeit der verschiedenen PIN eines IC was z.B. bei der Handhabung beim Verpackung oder Bestücken der IC wichtig ist. Die andere Methode hingegen richtet sich nach dem Verhalten im eingebauten Zustand also im normalen Gebrauch. Beide Methoden ergänzen sich wenn allgemeine Aussagen über die Spannungsfestigkeit gemacht werden. Weit verbreitet ist mittlerweile auch die Testmethode nach IEC1000-4-2, welche dem "Human Body Model" ähnlich ist. Ein Widerstand von 330 Ohm simuliert eine Person, welche einen metallischen Schraubenzier hält, der auf das Bauteil gerichtet ist und eine weitere Person, welche durch einen Kondensator von 150 pF dargestelt wird. Der Lade- bzw. Entladestrom wird innerhalb 30 oder 60 ns ausgewertet. Zur Messung benötigt man eine spezielle ESD-Pistole. Es gibt 4 Auswertegrade mit 2, 4, 6 und 8 kV bei Kontakt- bzw. 2, 4, 6 und 15 kV bei Luftentladung.

CE-Tests

Für den Anwender hingegen ist die Störfestigkeit des Gerätes am wichtigsten. Elektrische und elektronische Geräte sollen so betrieben werden, dass sie weder Funk- und Telekommunikationsanlagen noch andere Geräte in ihrer Funktion stören, d.h. sie müssen miteinander elektromagnetisch verträglich sein. Dieses Ziel lässt sich dadurch erreichen, dass man die Störaussendungen des Geräts begrenzt und gleichzeitig so störfest konzipiert, dass es in seiner Funktion selber auch nicht gestört werden kann. Die EMV-Richtlinie wurde in Deutschland mit dem Gesetz über die elektromagnetische Verträglichkeit von Geräten (EMVG) umgesetzt. Zur Zeit gilt es in seiner Ausführung vom 18. September 1998. Weil mit dem Inkrafttreten des Gesetzes über Funkanlagen und Telekommunikationsendeinrichtungen (FTEG) zum 8. Februar 2001 bestimmte Produkte aus dem Anwendungsbreich des EMVG herausgenommen wurden, hat der Gesetzgeber mit dem FTEG verschiedene Änderungen des EMVG in Kraft gesetzt. Die gesetzlichen Mindestanforderungen (CE-Zeichen) sind in den Fachgrundnormen festgelegt. Die Fachgrundnormen sind in 2 Anwendungsbereiche unterteilt: EN 50082 Teil 1 (Wohn-, Geschäfts- und Gewerbebereich) und Teil 2 (Industriebereich), welche auf den nachstehenden Basic-Standards basieren:

IEC 61000-4-2 Störfestigkeit gegen elektrostatische Entladung
IEC 61000-4-3 Störfestigkeit gegen gestrahlte Felder
IEC 61000-4-4 Störfestigkeit gegen schnelle Transienten
IEC 61000-4-5 Störfestikgeit gegen energiereiche transiente Größen (Surge)
IEC 61000-4-6 Störfestikgeit gegen schmalbandige Störgrößen (Continuous wave)
IEC 61000-4-8 Störfestigkeit gegen Magnetfelder mit energietechnischen Frequenzen
IEC 61000-4-11 Störfestigkeit gegen Kurzunterbrechnungen und Spannungsschwankungen

EMV im praktischen Gebrauch

Für die meisten Anwender ist die CE-Kennzeichnung ausreichend. Wenn Geräte in Industrieumgebung weltweit eingesetzt werden sind häufig höhrere Anforderungen zu erfüllen, welche nach Hausnormen spezifiziert werden. Für einen Zulieferer hat dies zur Konsequenz, dass er unabhängig von der CE-Kennzeichnung diese erhöhten Störfestigkeitsprüfungen durchführen muss. Letzteres ist auch dann sinnvoll wenn bei einem Kunden besonders widrige Bedingungen vorliegen. Manchmal ist dies dem Anwender auch nicht bewusst. Er wundert sich lediglich, dass z.B. ein Gerät, welches für den SOHO-Bereich konzipiert ist, im Industriebereich vorzeitig defekt geht.

EDV-Verkabelung

Wir kommen jetzt zu einem Punkt, welcher ganz besonderer Beachtung verdient: die EDV. Kein Industriebetrieb kommt heute mehr ohne EDV aus. Ein Ausfall der DV kann den gesamten Arbeitsablauf zu Erliegen bringen. Daher ist es verwunderlich, dass trotzdem immer wieder EDV-Geräte am Stromnetz der Produktion betrieben werden. Die Störpegel werden somit ins Datennetz geschleust mit katastrophalen Folgen. Um Verwechslung der EDV-Steckdosen mit Steckdosen für Elektrogeräte zu vermeiden, müssen die EDV-Steckdosen besonders gekennzeichnet sein. Alle Dosen müssen zudem an einer Phase angeschlossen sein und alle Erdungsleitungen müssen zentral zum Fundamenterder geführt werden (Wasserleitungen oder gar die "klassische Nullung" sind unzulässig). Ist dies nicht möglich, weil zB. der Raum auf einer anderen Etage liegt, so müssen die Netzwerke galvanisch entkoppelt werden, z.B. durch Einsatz von Glasfaserstrecken oder optogekoppelten Interfaces.

Kosten

Die Kosten für einen guten Überspannungsschutz, der sowohl Blitzschutz von Außen als auch Schutz im Innern des Gebäudes einschließt, kann ganz schön ins Geld gehen. Die Kosten relativieren sich jedoch, wenn man die möglichen Kosten für den Produktionsausfall dagegen hält, welcher bis zur Behebung des Schadens Tage oder sogar Wochen dauern kann.

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